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Corona und Gewalt an Frauen

31.03.2020

In einem aktuellen Newsletter nimmt die Präsidentin des Deutschen Frauenrates, Mona Küppers, Stellung zu vier Fragen im Zusammenhang mit Corona und Gewalt an Frauen:

 

Wie hängen die aktuelle Corona-Krise und das Thema Gewalt an Frauen zusammen?

Gewalt nimmt in Krisen oft zu. Wir müssen davon ausgehen, dass bei Familien und Paaren, die in Isolation oder Quarantäne mehr Zeit miteinander verbringen müssen als sonst, sehr angespannte Situationen entstehen und Aggressionen zunehmen können. Hinzu kommen vielleicht noch finanzielle Sorgen. Wir befürchten im Zuge dessen einen rapiden Anstieg von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder. Zahlen aus der Stadt Wuhan in China bestärken diese Befürchtungen leider. Schon vor der Krise erlebte jede dritte verheiratete Frau in China häusliche Gewalt, nun haben sich die Anfragen bei Hilfeangeboten für Betroffene verdreifacht. Ähnliches zeigt sich nun auch bei den ersten Zahlen aus Deutschland: Die Berliner Polizei berichtet, dass häusliche Gewalt seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen um zehn Prozent zugenommen hat. Die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher liegen. Hinzu kommt, dass Social Distancing die Gewalt noch weniger sichtbar macht. Wir müssen die massiven Folgen der Krise beim Thema Gewalt unbedingt mit im Blick haben. Und die Politik ist gefragt, auch auf diese jetzt entstehenden Probleme schnell und unbürokratisch zu reagieren und Lösungen zu finden.

Wie sieht die Situation bei den Beratungsstellen für von Gewaltbetroffene aus?

Die Beratungsstellen haben auf Telefon- und Onlineberatung umgestellt. Dies ist für viele Frauen, die die Beratung in Anspruch nehmen, eine große Umstellung. Es fällt von Gewalt betroffenen Frauen einfacher, sich zu öffnen und unangenehme Dinge auszusprechen, wenn sie ihrer Beratung gegenübersitzen. Insgesamt gehen die Beratungsstellen von einem wachsenden Bedarf während der Krise aus. Hinzu kommen technische Herausforderungen und mangelnde Möglichkeiten, schnell auf z.B. datensichere Onlineberatung umzustellen. Es mehren sich die Befürchtungen, dass eine finanzielle Schieflage entsteht, da die Beratungsstellen in der derzeitigen Situation z.B. keine Eigenmittel durch Fortbildungen und Vorträge erwirtschaften können. Auch können einige Projektvorhaben, die gesondert finanziert werden, in diesem Jahr sehr wahrscheinlich nicht vollumfänglich umgesetzt werden. Das Personal, das in den Projekten beschäftigt ist, wird aber während der Krise dringend für den erhöhten Beratungsbedarf gebraucht. Insgesamt stehen die Beratungsstellen vor einer sehr herausfordernden Situation. Die Politik muss sicherstellen, dass die Beratungsstellen finanziell gut durch die Krise kommen und ihr Angebot nicht nur aufrechterhalten, sondern ausweiten können.

Was bedeutet dies für die Zeit nach der Krise und für die Zukunft der Beratungsstellen?

Die Krise wird die Situation für viele von Gewalt betroffene Frauen und Kinder nachhaltig verschärfen. Sobald es wieder mehr Möglichkeiten gibt, sich frei zu bewegen, rechnen wir damit, dass viele Frauen und Mädchen Beratungsstellen in Anspruch nehmen werden, um das Erlebte zu verarbeiten und um der Gewalt zu entkommen. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend notwendig, die systemrelevante Arbeit der Beratung in und auch nach der Krise nicht nur wertzuschätzen und zu unterstützen, sondern auch dauerhaft sicherzustellen. Es kann nicht sein, dass Beratungsstellen jetzt in eine finanzielle Schieflage geraten und keine Zukunftsperspektive haben. Denn wenn wir mal ehrlich sind, ist die Frage von Gewaltfreiheit für unsere Demokratie systemrelevant. Wir brauchen die Beratungsstellen daher dringender denn je. Bundesfrauenministerin Giffey hat in diesem Zusammenhang angekündigt, dass ein sozialer Schutzschirm für die Beratungsinfrastruktur geschaffen werden soll. Dies begrüßen wir ausdrücklich!

Wie sieht es bei den Frauenhäusern aus? Wie ist dort die aktuelle Situation?

Die beschriebene Situation wird dazu führen, dass wir viel mehr Plätze in Frauenhäusern brauchen. Wir hatten aber schon vor der Corona-Pandemie nicht genug Plätze für alle Frauen, die einen Platz brauchten. Jetzt kommt hinzu, dass manche Frauenhäuser wegen Quarantäne keine neuen Frauen aufnehmen könnten, vielleicht sogar gänzlich schließen und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, oft wegen ihres Alters in der Corona-Risikogruppe, ausfallen. Die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser und die Frauenhauskoordinierung hatten deshalb gefordert, hier schnell kreative und bundesweiten Lösungen zu entwickeln. Es ist gut, dass Frauenministerin Giffey jetzt angekündigt hat, Frauenhauskapazitäten z.B. durch das Anmieten von Hotels oder Ferienwohnungen kurzfristig ausbauen zu wollen. Darüber hinaus muss auch dafür gesorgt werden, dass die Frauenhäuser zusätzliche Mittel für die Umsetzung von dringend erforderlichen hygienischen Maßnahmen, wie der Beschaffung von Desinfektionsmittel, bekommen.

https://www.frauenrat.de/4-fragen-an-mona-kueppers-corona-und-gewalt/